Gerichtskommunikation stärkt die Justiz

Kommunikationsexpertin Mascha Santschi Kallay ist von der Notwendigkeit der Gerichtskommunikation überzeugt. Als Journalistin, Gerichts-Informationsbeauftragte und Rechtsanwältin hat sie gute Erfahrungen damit gemacht.

12.02.2020 - Katharina Zürcher

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Portrait von Mascha Santschi Kallay
Kommunikationsexpertin Mascha Santschi im Interview mit dem BVGer. Bild: Daniel Ammann

Mascha Santschi Kallay, als Journalistin, Rechtsanwältin und Informationsbeauftragte haben Sie vermutlich unterschiedliche Erfahrungen mit Gerichtskommunikation gemacht.

Durchaus. Als Journalistin habe ich mich oft über die komplizierte Kommunikation mit den Gerichtsbehörden geärgert: Niemand erachtete sich als zuständig, Antworten erfolgten nicht zeitgerecht, und was an Auskünften erteilt wurde, war in journalistischer Hinsicht meistens nicht zu gebrauchen. Allerdings liegen diese Erfahrungen über zehn Jahre zurück, und vieles ist mittlerweile besser geworden.

Und als Informationsbeauftragte der Luzerner Gerichte?

Als Informationsbeauftragte realisierte ich das heikle Spannungsfeld der Gerichtskommunikation. Ich verstand erst hier, dass es nicht magistrale Überheblichkeit, sondern fachliche Unsicherheit gepaart mit Vorsicht war, die zu einer kommunikationskritischen Haltung führten. Zudem war ich überrascht, dass sich in der Literatur so wenig Hilfreiches für die praktische Gerichtskommunikation fand. Damals reifte mein Entscheid für eine Dissertation, die sich dieser Themen annimmt, und zwar aus juristischer und journalistischer Sicht.

Bleibt noch die Sicht der Rechtsanwältin.

Als Rechtsanwältin sehe ich, dass man einen Fall nicht nur in seiner rechtlichen, sondern auch in seiner kommunikativen Dimension erfassen muss. Einen Anwalt, der einen medienwirksamen Fall übernimmt, aber nichts von Medienarbeit versteht, trifft eigentlich ein Übernahmeverschulden. Und juristisch mangelhafte Arbeit lässt sich durch kein mediales Gepolter wettmachen. Ich wünschte mir aber oft auch etwas mehr juristischen Sachverstand und staatsorganisatorisches Wissen bei den «Gerichtsberichterstattern». Es ist manchmal erschreckend, wie einfach sich Journalisten von Parteiseite mit einseitigen Informationen «füttern» lassen.

Wie kompatibel sind die Ansprüche dieser Gruppen?

Ich bin überzeugt, dass sich in den meisten Fällen eine Lösung finden liesse, die alle Anspruchsgruppen nachvollziehen und grundsätzlich mittragen könnten. Wichtig erscheint mir, gerade als Gericht, dass man seine Überlegungen den anderen Anspruchsgruppen möglichst transparent mitteilt und nicht einfach hoheitlich verfügend auftritt. Aber es gibt durchaus Fälle, wo man als Gericht strikt bleiben muss – vor allem zum Schutz der Verfahrensparteien.

Heute beraten Sie Gerichte in Sachen Kommunikation. Wie sieht für Sie eine vorbildliche Gerichtskommunikation aus?

Diese hängt vor allem von den Personen ab, welche die Gerichtskommunikation verantworten. Zuoberst steht das Präsidium, das der kommunikationsbeauftragten Person den Rücken stärken muss. Nicht zu unterschätzen an den Schnittstellen gegen aussen ist das persönliche Auftreten: Der überwiegende Teil der Kommunikation läuft auf der non- und paraverbalen Ebene ab. Etwas keck ausgedrückt: Eine so dynamische und repräsentative Präsidentin wie diejenige des Bundesverwaltungsgerichts würde auch anderen Gerichten gut anstehen.

«Für die Gerichte werden die traditionellen Medien immer wichtig bleiben, da sie noch immer am ehesten für Qualität, Beständigkeit und Tiefgang in der Berichterstattung bürgen.»

Mascha Santschi Kallay

Warum reicht es nicht, wenn Gerichte ausschliesslich über ihre Urteile kommunizieren?

Es reicht – leider – nicht mehr, weil die Justiz heute viel stärker medialisiert und manchmal sogar instrumentalisiert wird. Parteien treten mit ihren Fällen hemmungsloser an die Öffentlichkeit. Dabei müssen sie weder Amts- noch Untersuchungsgeheimnisse beachten. Sie dürfen nur diejenigen Journalisten informieren, die ihnen wohlgesinnt sind. Das alles kann zu einer verzerrten Justizberichterstattung führen. Wenn das Gericht hingegen bewusst kommuniziert – oder auch einmal bewusst nicht kommuniziert –, geschieht dies zum Zweck einer ausgewogenen und sachlichen Öffentlichkeitsinformation.

Was kann Gerichtskommunikation leisten und wo stösst sie an ihre Grenzen?

Gerichtskommunikation kann mangelhafte gerichtliche Arbeit nicht schönreden. Sie darf auch nicht zu einer Hauptaufgabe der Judikative werden, sondern bleibt immer eine flankierende Massnahme. Sie dient der Verwirklichung des verfassungs- und völkerrechtlich verankerten Justizöffentlichkeitsprinzips, dem Schutz der Verfahrensparteien und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsprechung.

Zurück zu Ihrer Dissertation «Externe Kommunikation der Gerichte»: Darin schreiben Sie, dass die Medien als faktisch vierte Gewalt im Staat als ernstzunehmende Mitspielerin in der Demokratie zu behandeln sind.

Ich habe etwas Mühe, wenn rein staatsrechtlich damit argumentiert wird, dass die Medien nicht die vierte Gewalt im Staat sein könnten, weil ihnen ja keine hoheitlichen Befugnisse zukämen. Das greift zu kurz. Regelmässig sind es ja die Medien, die durch ihre Berichterstattung wirkliche Veränderungen herbeiführen und neue Fakten schaffen. Und dies nicht selten schon vor dem Abschluss des eigentlichen Rechtsverfahrens. Faktisch kommt den Medien über ihre Möglichkeit, eine breite Öffentlichkeit herzustellen, eine Macht zu, die rascher und nachhaltiger Spuren hinterlassen kann als ein Gerichtsentscheid.

Inwiefern verändert sich die Gerichtskommunikation mit dem Umstand, dass die traditionellen Medien an Einfluss verlieren, während Social Media wichtiger werden?

Für die Gerichte werden die traditionellen Medien immer wichtig bleiben, da sie noch immer am ehesten für Qualität, Beständigkeit und Tiefgang in der Berichterstattung bürgen. Ein Twitter-Account macht nicht für jedes Gericht Sinn, weil das Verhältnis von Aufwand und Nutzen zu gering ist. Hingegen müssen die Gerichte die Social Media im Auge behalten, da sich viele Krisen dort anbahnen.

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