Medienmitteilung zum Urteil A-1378/2019

Urteil betreffend die Unternehmensabgabe für Radio- und Fernsehen

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die in der Radio- und Fernsehverordnung vorgesehene Anzahl von lediglich sechs Tarifstufen für die Festlegung der Unternehmensabgabe im konkreten Fall als verfassungswidrig. Das Gericht legt dem Bundesrat nahe, die festgestellten Mängel bei der Mitte 2020 vorgesehenen Überprüfung zu analysieren und zeitnah zu beheben.

13.12.2019

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Foto: Keystone
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Das Schweizer Stimmvolk nahm Mitte 2015 die Revision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen an und seit dem 1. Januar 2019 wird die neue, geräteunabhängige Abgabe für Radio und Fernsehen bei Haushalten und Unternehmen erhoben.

 

Der konkrete Fall

Gestützt auf die neue Radio- und Fernsehverordnung stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) einem KMU aus dem Kanton Bern im Januar 2019 2'280.00 Franken in Rechnung. Dieser Betrag basiert auf dem Jahresumsatz des Unternehmens und wird anhand der in der bundesrätlichen Verordnung festgelegten Tarifstufen festgesetzt:

 

 

Umsatz in SFr.

Abgabe in SFr.

Stufe 1

500'000 bis 999'999

365

Stufe 2

1 Mio. bis 4'999'999

910

Stufe 3

5 Mio. bis 19'999'999

2'280

Stufe 4

20 Mio. bis 99'999'999

5'750

Stufe 5

100 Mio. bis 999'999'999

14'240

Stufe 6

1 Mia. und mehr

35'590

 

Gegen den Abgabebetrag von 2'280.00 Franken wehrte sich das betroffene Unternehmen und zog den abschlägigen Entscheid der ESTV ans Bundesverwaltungsgericht (BVGer) weiter. Darin bringt es im Wesentlichen vor, verhältnismässig erheblich höher durch die Abgabe für Radio- und Fernsehen belastet zu sein als Unternehmen mit deutlich höherem Umsatz. Dies sei mit dem Rechtsgleichheitsgebot nicht vereinbar.

 

Gut von grösster Bedeutung

Die Bundesverfassung statuiert die Gewährleistung der Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie in der Programmgestaltung. Die Radio- und Fernsehabgabe dient dazu, das verfassungsmässig garantierte Gut einer unabhängigen und qualitativ hochstehenden Informationsversorgung zu finanzieren. Dieses Gut ist per se – und für eine direkte Demokratie im Besonderen – von grösster Bedeutung und bildet letztlich einen essentiellen Faktor für einen stabilen, gut funktionierenden und damit attraktiven (Unternehmens-)Standort Schweiz. Sie dient damit nicht nur den Privaten, sondern auch den Unternehmen. Folglich ist es notwendig und angebracht, dass auch Unternehmen ihren Teil zu einem funktionierenden und unabhängigen Rundfunksystem beitragen.

 

Zu grobe Differenzierung

Das BVGer anerkennt, dass eine gewisse Schematisierung in Bezug auf die Erhebung der Unternehmensabgabe unumgänglich ist. Das Gericht kommt jedoch zum Schluss, dass im zu beurteilenden Anwendungsfall keine sachlichen Gründe ersichtlich sind, welche eine derart starke Schematisierung, die sich aus einer Unterteilung der abgabepflichtigen Unternehmen in lediglich sechs Tarifstufen ergibt, zu rechtfertigen vermögen. Im vorliegenden Anwendungsfall fällt das betreffende Unternehmen in die Tarifstufe 3. Dieser Stufe sind Unternehmen mit Umsätzen von 5 bis knapp 20 Mio. Franken zugeteilt. Die umsatzschwächsten Unternehmen dieser Tarifstufe bezahlen somit verhältnismässig mehr als die Umsatzstärkeren. Dieser Effekt potenziert sich sodann mit jeder höheren Umsatzstufe. Dies führt dazu, dass das Unternehmen im vorliegenden Fall 0.04 % des Umsatzes aufzuwenden hat, ein "Milliardenunternehmen" hingegen maximal 0.004 % und damit mindestens zehnmal weniger. Das BVGer erachtet dies als mit dem verfassungsmässigen Rechtsgleichheitsgebot nicht vereinbar.

 

Empfehlungen an den Bundesrat

Der Bundesrat hatte bereits im Oktober 2017 angekündigt, die Auswirkungen des neuen Abgabesystems – gestützt auf die Erfahrung des ganzen ersten Erhebungsjahres – spätestens Mitte 2020 zu analysieren. Dem soll und kann das Gericht – nicht zuletzt angesichts der Fülle an möglichen verfassungskonformen Lösungen für die Festlegung der Höhe der Unternehmensabgabe – nicht vorgreifen. Hinzu kommt, dass sich die effektive Belastung der Unternehmen trotz allem auf sehr tiefem Niveau befindet. Somit beschränkt sich das BVGer auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit im konkreten Anwendungsfall und legt dem Bundesrat nahe, den Mangel bei der vorgesehenen Überprüfung zu analysieren und zeitnah zu beheben. Vor diesem Hintergrund – und um die laufende Finanzierung von Radio und Fernsehen nicht zu gefährden – verzichtet das Gericht darauf, der betreffenden Verordnungsbestimmung die Anwendung zu versagen. Entsprechend heisst das Gericht die Beschwerde des Berner KMU im Sinne der Erwägungen teilweise gut, weist sie im Übrigen jedoch ab. Folglich wird der beantragten Reduktion der Abgabe nicht stattgegeben.

 

Dieses Urteil kann beim Bundesgericht angefochten werden.