Medienmitteilung zum Urteil B-2334/2023
Rechtswidrige Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten
Die von der FINMA im März 2023 verfügte Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten der Credit Suisse hat keine Rechtsgrundlage. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb in einem Verfahren deren Verfügung in einem Teilentscheid aufgehoben.

Am 19. März 2023 verkündeten Vertreterinnen und Vertreter des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA), der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sowie der beteiligten Banken ein umfassendes Massnahmenpaket zur Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS. Bestandteil dieses Pakets war die Abschreibung sämtlicher Additional Tier 1 Kapitalinstrumente (AT1-Instrumente) im Nominalwert von ca. 16.5 Mrd. Franken. Gleichentags ergänzte der Bundesrat die kurz davor erlassene Notverordnung mit einer Bestimmung (Art. 5a), welche die FINMA ermächtigte, gegenüber der betroffenen Bank die Abschreibung des AT1-Kapitals anzuordnen. Unter anderem gestützt auf diese Bestimmung wies die FINMA in ihrer Verfügung vom 19. März 2023 die CS an, die Abschreibung sämtlicher AT1-Anleihen sofort vorzunehmen und die betroffenen Gläubiger darüber zu informieren, was die CS in der Folge umsetzte.
Aufhebung der Verfügung der FINMA vom 19. März 2023
Gegen diese Verfügung haben rund 3000 Beschwerdeführende in rund 360 Verfahren Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) erhoben. Insofern liegt ein Mehrparteienverfahren vor, das sich dadurch charakterisiert, dass mehrere Parteien in ein und demselben Verfahren auftreten (eine Verfügung, gleicher Sachverhalt). Eine Besonderheit besteht darin, dass sich der Gehörsanspruch der einzelnen Parteien auch auf die von den anderen Beteiligten vorgebrachten Äusserungen und Beweismittel bezieht, sofern nicht den Begehren der Beschwerdeführenden entsprochen wird.
Die Beschwerdeführenden haben hauptsächlich zum einen die Aufhebung der Verfügung und zum anderen eine Rückabwicklung (d.h. Rückgängigmachen der Abschreibung) verlangt. Sie argumentierten, dass weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage für die Abschreibung der AT1-Anleihen vorgelegen habe. Die FINMA und die UBS haben dagegen im Wesentlichen die Legitimation zur Beschwerdeführung bestritten und sich auf den Standpunkt gestellt, dass am 19. März 2023 die vertraglichen Voraussetzungen für eine Abschreibung der AT1-Anleihen erfüllt gewesen seien sowie mit Art. 26 des Bankengesetzes (BankG), Art. 31 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FINMAG) und Art. 5a der Notverordnung eine genügende gesetzliche Grundlage für die betreffende Anordnung bestanden habe.
Das BVGer hat in einem der rund 360 Beschwerdeverfahren am 1. Oktober 2025 einen Teilentscheid gefällt. Es hat die Legitimation der Beschwerdeführenden bejaht und die Verfügung vom 19. März 2023 aufgehoben. Über die Rückabwicklung hat das BVGer noch nicht entschieden. Die anderen Verfahren werden nun sistiert, bis der Entscheid über die Aufhebung der Verfügung rechtskräftig ist.
Kein Viability Event eingetreten
AT1-Kapitalinstrumente gehören zum regulatorisch den Eigenmitteln anrechenbaren zusätzlichen Kernkapital einer Bank und sind in der Regel entweder als bedingte Pflichtwandelanleihen oder, wie vorliegend, als Anleihen mit bedingtem Forderungsverzicht («Write-off-Bonds») ausgestaltet. Write-off-Bonds zeichnen sich dadurch aus, dass sie bei Eintritt eines vertraglich vordefinierten Ereignisses («Viability Event») durch die emittierende Bank abgeschrieben werden können. Das BVGer gelangte zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Abschreibung nicht vorlagen, weil im Abschreibungszeitpunkt der vertragliche Viability Event nicht eingetreten war: Die CS war zum fraglichen Zeitpunkt hinreichend kapitalisiert und erfüllte die regulatorischen Eigenmittelanforderungen. Die vom Bund und der SNB gewährten Massnahmen dienten einzig der Sicherstellung der Liquidität und hatten nach dem vertrauenstheoretisch relevanten Verständnis der Anleihensbedingungen keinen unmittelbaren Einfluss auf die Eigenkapitalbasis.
Fehlende gesetzliche Grundlage
Das Gericht befasste sich auch mit der Frage nach der gesetzlichen Grundlage für die angeordnete Abschreibung. Es hielt fest, dass ein schwerwiegender Eingriff in die Eigentumsrechte der Anleihensgläubiger vorlag, der nur auf einer klaren und formellen gesetzlichen Grundlage hätte abgestützt werden dürfen. Eine solche Grundlage bestand jedoch nicht: So beschlägt Art. 26 BankG, der Schutzmassnahmen bei Insolvenzgefahr vorsieht, einen anderen Gegenstand und ist in jedem Fall im Sinne des Legalitätsprinzips zu unbestimmt, um Rechte von Drittpersonen abzuschreiben. Das Gleiche gilt auch für Art. 31 FINMAG und Art. 5a der Notverordnung des Bundesrates. Da die Verfügung vom 19. März 2023 auf der Notverordnung basiert, hat das BVGer diese vorfrageweise auch auf ihre Verfassungsmässigkeit überprüft. Die Bestimmung von Art. 5a Notverordnung erwies sich dabei in mehrfacher Hinsicht als verfassungswidrig, weil sie namentlich Verfassungsvorgaben an bundesrätliches Notverordnungsrecht (Art. 184 Abs. 3 bzw. Art. 185 Abs. 3 Bundesverfassung, BV), die Anforderung an die Übertragung eines Enteignungsrechts (Art. 178 Abs. 3 BV) und an die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) verletzt.
Dieser Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.
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Rocco Maglio
Medienbeauftragter