Medienmitteilung zum Urteil F-4658/2023

Verhältnis von Ausweisung und vorläufiger Aufnahme nach altem Recht

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde eines irakischen Staatsangehörigen gutgeheissen, der sich gegen die Anordnung des Vollzugs seiner Ausweisung durch das Bundesamt für Polizei gewehrt hatte. Der Mann war nach der Ausweisung vorläufig aufgenommen worden, was unter altem Recht noch möglich war. Besteht eine vorläufige Aufnahme, ist es am Staatssekretariat für Migration, diese bei gegebener Veranlassung aufzuheben und den Vollzug der Ausweisung anzuordnen.

07.11.2025

Teilen
Das BVGer hebt den Entscheid zum Vollzug der Ausweisung auf, weil das fedpol nicht mehr befugt war, diesen zu erlassen. (Bild: Keystone)
Das BVGer hebt den Entscheid zum Vollzug der Ausweisung auf, weil das fedpol nicht mehr befugt war, diesen zu erlassen. (Bild: Keystone)

Dem Beschwerdeführer war 2002 in der Schweiz Asyl gewährt worden. Nachdem sich herausstellte, dass er im Asylverfahren falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hatte, wurde ihm 2009 das Asyl widerrufen und die Flüchtlingseigenschaft aberkannt. 2014 verurteilte ihn das Bundesstrafgericht unter anderem wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation. Im Jahr 2018 wies das Bundesamt für Polizei (fedpol) den Mann aus der Schweiz aus, beurteilte jedoch seine Rückführung in den Irak zu jenem Zeitpunkt als völkerrechtlich unzulässig. Deshalb schob es den Vollzug der Ausweisung auf und überwies das Dossier dem Staatssekretariat für Migration (SEM) zur Prüfung einer vorläufigen Aufnahme, die das SEM 2021 erteilte. Im Juli 2023 ordnete das fedpol den 2018 aufgeschobenen Vollzug der Ausweisung an, weil es der Ansicht war, eine Rückführung sei inzwischen zulässig. Dagegen erhob der Betroffene Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer).

Ausgewiesen und vorläufig aufgenommen: Vollzug erst bei Aufhebung der vorläufigen Aufnahme
Dem Fall liegt eine besondere Konstellation zugrunde, zu der es nach heutiger Rechtslage nicht mehr kommen kann: Der Beschwerdeführer ist zugleich ausgewiesen und vorläufig aufgenommen. Nachdem das fedpol die Ausweisung verfügt und deren Vollzug aufgeschoben hatte, ordnete das SEM gestützt auf das damals geltende Recht die vorläufige Aufnahme an.

Für diese altrechtliche Konstellation hielt das Gericht in einem Grundsatzurteil fest: Sobald und solange eine vorläufige Aufnahme besteht, darf der Vollzug der Ausweisung nicht angeordnet werden. Auch nicht durch das fedpol, das die Ausweisung verfügt und den Vollzug damals aufgeschoben hatte. Es obliegt dem SEM, periodisch zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der vorläufigen Aufnahme noch gegeben sind (vorliegend: ob eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak weiterhin völkerrechtlich unzulässig wäre). Gelangt das SEM zum Schluss, dass dies nicht mehr der Fall ist, hat es die vorläufige Aufnahme aufzuheben und den Vollzug der zugrundeliegenden Ausweisung anzuordnen. Da der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Verfügung vom Juli 2023 vorläufig aufgenommen war, war das fedpol nicht mehr befugt, den Vollzug der Ausweisung anzuordnen. Das BVGer hob die Verfügung deshalb als rechtswidrig auf.

Gesetzgeberische Korrektur und Bedeutung des Urteils
Die Rechtslage, wonach der Beschwerdeführer im Anschluss an seine Ausweisung vorläufig aufgenommen werden konnte, hat der Gesetzgeber inzwischen korrigiert. Seit der Revision von Artikel 83 Absatz 9 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) im Jahr 2022 kann nach einer Ausweisung keine vorläufige Aufnahme mehr verfügt werden, die später für den Vollzug der Ausweisung wieder aufgehoben werden müsste. Künftig wird somit das fedpol immer selbst über den Vollzug der von ihm verfügten Ausweisungen entscheiden.

Auf die letzten noch hängigen Einzelfälle mit vergleichbaren altrechtlichen Konstellationen, in denen eine Ausweisung und eine vorläufige Aufnahme nebeneinander bestehen, wird das vorliegende Grundsatzurteil Anwendung finden.

Das Urteil betrifft das nach altem Recht relevante Verhältnis zwischen Ausweisung und vorläufiger Aufnahme. Es hat nicht zur Folge, dass bei vorläufig aufgenommenen Personen wie dem Beschwerdeführer die Ausweisung nicht vollzogen werden könnte, sondern stellt klar, dass dafür die vorläufige Aufnahme aufgehoben werden muss. Die allfällige Aufhebung der vorläufigen Aufnahme sowie die damit verbundene Anordnung des Ausweisungsvollzugs sind Aufgabe des SEM. 

Das Urteil ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.

Kontakt

Rocco Maglio
Rocco Maglio

Medienbeauftragter