Medienmitteilung zum Urteil A-4889/2024

Beibehaltung der persönlichen Dimension des Spezialitätsprinzips

Informationen, die über die internationale Steueramtshilfe beschafft werden, dürfen nur gegen die betroffene Person verwendet werden.

26.09.2025

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Die übermittelten Informationen dürfen nur gegen die betroffene Person verwendet werden. (Bild: Adobe stock)
Die übermittelten Informationen dürfen nur gegen die betroffene Person verwendet werden. (Bild: Adobe stock)

Die französischen Steuerbehörden ersuchten um Amtshilfe in Bezug auf einen französischen Staatsangehörigen, der angibt, in der Schweiz ansässig zu sein. Sie vermuten, dass er in Wirklichkeit in Frankreich ansässig ist und nicht all seine im Ausland und insbesondere in der Schweiz eröffneten Bankkonten deklariert hat. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) erliess am 3. Juli 2024 eine Verfügung, mit der die Amtshilfe an Frankreich gewährt wurde. Ein Dritter, dessen Name in den zu übermittelnden Unterlagen erscheint, hat gegen diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) Beschwerde erhoben. Er macht geltend, angesichts der jüngsten Änderung des Kommentars zu Artikel 26 des Musterabkommens der OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (OECD-MA) würden die französischen Behörden die persönliche Dimension des Spezialitätsprinzips möglicherweise nicht beachten. Mit anderen Worten könnten die französischen Steuerbehörden die übermittelten Informationen auch gegen ihn verwenden.

Änderung des Kommentars zum OECD-MA
Am 19. Februar 2024 veröffentlichte die OECD eine neue Fassung ihres Kommentars zum OECD-MA, in der festgehalten wird, dass die Informationen, die ein Staat amtshilfeweise erhält, nicht nur gegen die vom Ersuchen betroffene Person, sondern auch gegen andere Personen verwendet werden können. Da die Bestimmungen über den Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Frankreich an das OECD-MA angelehnt sind, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen der jüngsten Änderung des Kommentars auf die Auslegung des Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich.

Zur Lösung dieses Problems stützt sich das BVGer auf ein jüngeres Urteil des Bundesgerichts1 , in dem präzisiert wird, dass grundsätzlich die Fassung des Kommentars zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses massgebend ist. In seiner Analyse hält das BVGer fest, dass die persönliche Dimension des Spezialitätsprinzips zu den grundlegenden Regeln der Amtshilfe gehört. Dieses Prinzip stellt keinen offenen Begriff dar, dessen Bedeutung erkennbar einem zeitlichen Wandel unterliegt. Zudem widerspiegelt die neue Fassung des Kommentars keine Praxis, die die Vertragsstaaten nach der Unterzeichnung des Abkommens befolgt haben. Auch handelt es sich bei dieser Änderung nicht um eine blosse Präzisierung. In diesem Kontext kann die neue Fassung des Kommentars nicht zur Auslegung des Abkommens herangezogen werden. Das BVGer hält somit an der persönlichen Dimension des Spezialitätsprinzips fest und heisst die Beschwerde teilweise gut. Die übermittelten Informationen dürfen nur gegen die betroffene Person verwendet werden und die ESTV wird den ersuchenden Staat in ihrer Verfügung über den Umfang dieser Verwendungsbeschränkung hinweisen müssen.

Dieses Urteil kann in den Grenzen von Artikel 84a des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 beim Bundesgericht angefochten werden, das heisst, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Bundesgericht.

Rechtlicher Rahmen
Die Steueramtshilfe zwischen der Schweiz und Frankreich beruht auf Art. 28 DBA CH-FR (Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung) und auf Ziff. XI seines Zusatzprotokolls. Diese Bestimmungen orientieren sich am Musterabkommen der OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Einkommens- und Vermögenssteuern (OECD-MA), das mit einem regelmässig aktualisierten Kommentar versehen ist.

Der Staat, der ein Amtshilfeersuchen stellt, muss die Identität der Person angeben, deren Steuerangelegenheiten überprüft werden, und darf die erhaltenen Informationen nur gegen diese Person verwenden. Eine Verwendung gegenüber Dritten ist nur zulässig, wenn diese Möglichkeit im Recht beider Staaten vorgesehen ist und die ESTV dieser Verwendung zustimmt. Dies ist die persönliche Dimension des Spezialitätsprinzips, auf die das Bundesgericht in mehreren neueren Urteilen hingewiesen hat.

 

1  BGE 149 II 400
2  Siehe insbesondere BGE 147 II 13 und BGE 146 I 172

 

Kontakt

Rocco Maglio
Rocco Maglio

Medienbeauftragter