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Die Zukunft gehört der Teamarbeit
Heike Bruch, welche Bedeutung messen Sie der Teamarbeit bei?
Teamarbeit ist schon heute sehr wichtig, und ihre Bedeutung wächst ständig. Je flexibler, kreativer und innovativer die Aufgaben sind, umso besser werden sie in einem möglichst divers zusammengesetzten Team erledigt. Diese Diversität bezieht sich auf äussere Faktoren wie Wissen, Herkunft, Geschlecht oder Alter. Bei den tieferliegenden Faktoren wie Haltung, Ambition oder Werte wird Ähnlichkeit angestrebt: Sind die gleichen Werte vorhanden, stärkt das den Zusammenhalt. Das Team ist auch als Heimbasis für die einzelnen Mitglieder wichtiger denn je, denn der Druck und die psychischen Belastungen nehmen zu. Menschen wollen sich zugehörig fühlen und aufgefangen werden.
Sie forschen an der Universität St. Gallen zu neuen Arbeitsformen. Wie sieht die Arbeit der Zukunft aus?
Das ist eine spannende Frage, weil wir die Antwort noch nicht kennen. Im Moment ist sehr vieles im Umbruch. Es zeigen sich jedoch bereits einige zukunftsorientierte Muster und andere, die weniger vorwärtsgerichtet sind. So gibt es Organisationen, die sich sehr gut auf neue Arbeitsformen, sogenanntes New Work, vorbereiten. Sie haben eine gesunde Leistungskultur entwickelt, bei die Mitarbeitenden gewisse Wahlmöglichkeiten haben, wo und wann sie arbeiten und wie kommuniziert wird. Gleichzeitig versuchen sie, Arbeitseinsatz und emotionalen Zusammenhalt im Team zu stärken. Andere Unternehmen führen – besonders seit dem vergangenen Jahr – wieder zunehmend autoritär, beordern ihre Mitarbeitenden zurück ins Office, kontrollieren die Performance mit Nachdruck. Wird das auf eine nicht wertschätzende Art getan, frustriert es die Mitarbeitenden: Sie verstehen es als Misstrauen. Aktuell ziehen also sehr unterschiedliche Kräfte in verschiedene Richtungen, und es ist noch offen, wie die Arbeit in Zukunft organisiert sein wird. Dazu kommt das Zusammenspiel mit der Künstlichen Intelligenz – Stichwort Roboter als Kollege.
Ein Roboter als Kollege? Was kommt mit der KI auf uns zu?
Künstliche Intelligenz ist jetzt schon im Einsatz, teils fliessend, teils bewusst. Da bisher das Wissen bei vielen fehlt, sind oft Ängste und Widerstände da. Viele Organisationen haben keine klare Strategie, wie sie mit dem Thema umgehen wollen. Hier sind die oberste Führung und das HR gefragt: Sie müssen eine Strategie und vielleicht eine Vision entwickeln und die Mitarbeitenden fit machen für einen positiven und verantwortungsvollen Umgang mit KI. Denn diese birgt ein unfassbares Potenzial, einerseits zur Effizienzsteigerung, andererseits zur sogenannten Augmentation, also um die menschliche Kompetenz zu ergänzen und etwas Besseres zu schaffen. KI wird die Arbeitswelt grundlegend verändern! Es ist höchste Zeit, sie bewusst und transparent zu thematisieren und die Menschen mitzunehmen. Dabei geht es nicht nur um eine Technologietransformation, sondern vor allem auch um eine Kulturtransformation.
Können Sie das erklären?
Wir müssen uns darauf einstellen, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. KI wird sich auf jedes Berufsbild auswirken; gewisse Arbeiten werden künftig nicht mehr durch Menschen erledigt. Betroffene müssen darauf vorbereitet werden, denn KI bietet ihnen auch die Chance, sich weiterzuentwickeln. Menschen werden nicht durch KI ersetzt, aber sie werden durch Menschen ersetzt, die kompetent sind im Umgang mit KI. Die Offenheit für eine KI-Nutzung und Kompetenz im Umgang mit KI ist auch eine Generationenfrage, denn die ganz Jungen nutzen KI-Anwendungen deutlich häufiger. Gleichzeitig ist es angesichts der grossen Risiken ein Datenschutzthema. Wir dürfen KI nicht verschlafen, aber wir dürfen auch die damit verbundenen sensiblen Themen nicht ausblenden. Umso wichtiger ist, dass das Thema nicht einfach von der Technologieseite in rasantem Tempo auf uns eindringt, sondern bewusst, kompetent und zielgerichtet eingeführt wird. Dafür sollten zunächst Top-Führungskräfte und HR-Bereiche die erforderliche Kompetenz aufbauen, um die Transformation treiben zu können. Gleichzeitig sollte jede und jeder einzelne sich mit KI und den Implikationen vertraut machen.
Stichwort junge Arbeitnehmende: Stimmt es, dass Angehörige der Generation Z weniger leistungsbereit sind als andere?
Es gibt in dieser Altersgruppe sehr grosse Unterschiede. Man kann aber beobachten, dass die Arbeit für junge Menschen einen anderen Stellenwert hat. Sie ist nicht mehr Zentrum des Lebens, um das alles gruppiert wird. Vielmehr ist die Work-Life-Balance ganz entscheidend. Viele sind trotzdem sehr leistungsbereit, nur nicht zu jedem Preis. Sie wollen sinnerfüllte Aufgaben, und der Rahmen, das Team und die Vorgesetzen müssen passen. Stimmt das nicht, ziehen sie sich zurück oder gehen. So führt uns die Generation Z vor Augen, dass die Art, wie in vielen Organisationen gearbeitet wird, nicht mehr passt. Wir sollten ihnen zuhören, statt sie einfach hereinzulocken in eine Arbeitswelt, die ihren Vorstellungen so wenig entspricht, dass sie sich emotional nicht voll auf die Arbeit einlassen. Sie haben viel zu geben, und gemeinsam kann die Arbeit neu und für alle bereichernder gestaltet werden. Aber natürlich kann das für Führungskräfte erst mal fordernd und anstrengend sein, zumal auch sie aktuell sehr gefordert sind.
«Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt grundlegend verändern; wir müssen uns darauf einstellen, dass kein Stein auf dem anderen bleibt.»»
Heike Bruch
Womit sind die Führungskräfte zurzeit gefordert?
Seit über zwanzig Jahren untersuchen wir die persönliche Ausstattung von Führungskräften in Bezug auf Energie und Fokus; zwei Grössen, die als Voraussetzung für gute Führung gelten. Während früher die vorhandene Energie im Vordergrund stand, ist das heute anders. 55 Prozent der Führungskräfte fehlt nicht nur der Fokus, sondern auch die Energie. Gründe für diese erschöpften Führungskräfte sind einerseits die vielen Umbrüche und andererseits die Tatsache, dass in vielen Unternehmen nicht klar definiert ist, was eine moderne Führung beinhaltet. Das Spektrum dessen, was von Führungskräften erwartet wird, ist so unklar und gleichzeitig so umfassend, dass viele verunsichert sind oder das Gefühl haben, zu viele Dinge gleichzeitig schultern zu müssen.
Was raten Sie Führungskräften in dieser Situation?
Wir empfehlen ihnen, auf die eigene Energie zu achten. Selbstführung und das Schützen des eigenen Fokus sind sehr wichtig. Führungskräfte sollen sich sehr genau damit auseinandersetzen, wie geführt werden soll. Jede Organisation soll klar definieren, was moderne Führung für sie bedeutet. Indem sie das eigene Führungsverständnis definiert, gibt sie den Führungskräften zumindest eine Orientierung. Zusätzlich sollten diese jedoch entwickelt und gefördert werden. Führungskräften empfehlen wir auch, sich regelmässig mit Kolleginnen oder Coaches auszutauschen. Denn andere kennen dieselben Probleme.
Wie kann die aktuelle Umbruchzeit für das ganze Team gut gestaltet werden?
Es braucht angesichts der vielen Veränderungen eine Stärkung der Kultur des Zusammenarbeitens, die auf Vertrauen und den Fähigkeiten des Teams basiert. Teams sollen selbstorganisiert, frei und flexibel arbeiten können und den einzelnen Mitgliedern Heimat bieten. Wird diesem Kulturwandel keine Aufmerksamkeit geschenkt und nur die technisch-strukturelle Seite von New Work betont, besteht die Gefahr, dass der Zusammenhalt leidet, dass Menschen übervirtualisiert arbeiten und vereinsamen.
Was kann ein Team tun, wenn ein Mitglied nicht die geforderte Leistung bringt?
Das muss geregelt werden, sonst entsteht viel Unzufriedenheit. Wenn man diese Regelung dem Team überlässt, ist das sehr fordernd. Möglicherweise ist es besser, dies mit hierarchischer Führung anzugehen. Dieser stehen verschiedene Möglichkeiten offen, etwa positives und negatives Feedback oder der Umgang mit der Bezahlung. Eine solche Situation erfordert viel Fingerspitzengefühl und ein konstruktiv-kritisches Vorgehen. Aber auf jeden Fall ist es wichtig, zügig und konsequent zu handeln.
Dann hat die hierarchische Führung noch nicht ausgedient?
Was nicht mehr zeitgemäss ist, ist die autoritäre Führung. Sinnvoll und zielführend ist aber eine moderne, hierarchiebasierte Führung, die Leadership zeigt und durch ihr vorbildliches Handeln inspiriert und wertschätzt. Sie kann ergänzt werden mit geteilter Führung, indem den Teams mehr Eigenverantwortung übertragen wird. Lange galt das als Entweder/Oder, aber wir sehen, dass Teams sich besser selbst führen können mit Rückendeckung der Führungskraft. Laissez-faire ist keine gute Idee, es beinhaltet wenig Wertschätzung und birgt die Gefahr, dass sich Mitarbeitende von der Organisation abwenden.
Womit wir beim Fachkräftemangel wären. Wie kann sich ein Arbeitgeber attraktiv positionieren?
Er soll positive Aspekte stärken, die besonders wirken und die wenige Organisationen haben. Eine starke Führungskultur mit Vorbildhandeln des oberen Managements hilft genauso wie eine Vertrauenskultur. Eine entscheidende Rolle spielt das Erleben vor Ort. Wenn allgemein ein Klima des hohen Engagements herrscht, wenn spürbar ist, dass hier etwas geht, dann identifizieren sich die Leute und bringen Leistung. Gleichzeitig mit dem Betonen und Schaffen von positiver Energie ist es auch wichtig, Negativität und ein Klima der Frustration zu vermeiden. Wenn Leute gegeneinander arbeiten, Widerstand gegen den Wandel vorhanden ist oder Machtspiele gespielt werden, dann muss das unbedingt gestoppt werden. Gefährlich ist auch die sogenannte Beschleunigungsfalle. Das ist ein Klima, in dem eine kollektive Überhitzung herrscht, wo Leute beständig am Limit operieren. In unserer Region herrscht in 75 Prozent aller Organisationen ein Beschleunigungsfallenklima. Aber wenn immer zu viel Arbeit da ist und Prioritäten fehlen, erschöpft das die Menschen. Eine Gefahr ist zudem die Isolation, also wenn sich Menschen einsam und nicht mehr zugehörig fühlen. Da ist die Führung gefragt; es braucht eine Kulturentwicklung, auch im Team.
Wie können Organisationen und Führungskräfte ihre Mitarbeitenden darin unterstützen, gesund und leistungsfähig zu bleiben?
Die gesunde Hochleistung ist ein wichtiges Forschungsthema an unserem Institut. Gesunde Hochleistungsorganisationen zeichnen sich durch drei typische Merkmale aus: Eine hohe produktive Energie, hohes Wohlbefinden der Mitarbeitenden und wenig Negativenergie. Das heisst: Die Führungskräfte inspirieren und begeistern; es herrscht eine angenehme Energie der Identifikation mit der Arbeit und der Organisation sowie die Überzeugung, dass alles gut geht. Erfolge werden gezielt gefeiert, die Beschleunigungsfalle wird vermieden, man ist fokussiert und zeigt Wertschätzung, interessiert sich für das Wohlergehen der Leute. Thematisch ist wenig Negativenergie da. Faktoren, die die Organisation unattraktiv machen, werden eliminiert, Frustquellen genauso abgebaut wird Eigennutzorientierung, Konflikte und negative Spannungen. Wenn spürbar ist, dass Führungskräfte gezielt negative Themen angehen, fördert das die Hochleistung.
Was können die Mitarbeitenden selbst tun, um leistungsfähig und gesund zu bleiben?
Wichtig ist die Selbstführung und eine Haltung der Offenheit und Neugierde, ein sogenanntes «Growth Mindset». Der Leitsatz hierbei ist: «Ich kann noch nicht alles, aber ich versuche es und kann etwas daraus lernen.» Feedback soll nicht als Kritik gesehen werden, sondern als Lernmöglichkeit. Niemand muss perfekt sein, aber angesichts der vielen Umbrüche und neuen Herausforderungen muss man eine Bereitschaft mitbringen, Neues auszuprobieren, zu lernen und persönlich zu wachsen. Dabei ist wichtig, dass man ein Umfeld hat, in dem auch Fehler passieren können, und dass man wenig Angst hat, wenn es darum geht, neue Dinge anzugehen. Auch deshalb ist es wichtig, dass jede und jeder in seinem Team Heimat und Rückhalt findet. Funktionierende Teams sind das A und O jeder Organisation.
Heike Bruch, geb. 1966, ist Professorin für Leadership an der Universität St. Gallen und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement. Sie widmet sich in ihrer Forschung den Themen Leadership, Energie & Engagement, Gesunde Hochleistung sowie Neue Führungs- und Arbeitsformen. Sie ist dafür mehrfach ausgezeichnet worden und begleitet auch Führungskräfte und Unternehmen in der Praxis.
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